Carola Adler, erfahrene Gewandmeisterin und Inhaberin der Gewandschneiderey Adel und Volk, bringt mit ihrem Buch „Gewandung der Halblinge“ eine phantastische Perspektive in die Welt der Heimwerkerschneiderei.
In unserem Interview sprechen wir mit Carola über die Inspiration hinter diesem einzigartigen Projekt, wie sie die Tradition mit der Fantasiewelt der Halblinge verknüpft, und welche Tipps sie für Neulinge hat.
Carola, dein Hintergrund in der Schneiderei von Theaterkostümen und Gewandungen ist beeindruckend. Was hat dich dazu inspiriert, ein Buch speziell über das Schneidern von Halblingskleidung zu schreiben?
Carola: Ich wäre nie auf die Idee gekommen, ein Buch über Halblingskleidung zu schreiben. Als Tara Moritzen vom Zauberfeder Verlag mich gefragt hat, ob ich für den Verlag ein solches Buch mit Nähanleitungen und Tips und Tricks verfassen würde, war ich zunächst sehr skeptisch. Aber die Idee hat mich in den kommenden Wochen nicht mehr losgelassen und so habe ich begonnen, mich umfassend über Halblingswesen und ihre Darstellungsformen zu informieren.
Dein Buch taucht in die faszinierende Welt der Halblingskleidung ein, die viele an die idyllischen Bilder aus Herr der Ringe denken lässt. Inwiefern hast du bei der Konzeption deines Buches spezifische Aspekte oder Stimmungen aus Herr der Ringe einfließen lassen, um sowohl eingefleischte Fans des Universums als auch Leser, die neu in diese Welt eintauchen, zu begeistern und zu inspirieren?
Carola: Wer ein solches Buch schreiben möchte, kommt am Herrn der Ringe nicht vorbei. Die Filme sind großartig und die Kostüme wunderschön. In der Anfangsphase des Buches habe ich mir ein einsames dänisches Ferienhaus gemietet und eine Woche lang Informationen zusammengetragen und Schnittmuster gezeichnet und berechnet. Während dieser Zeit liefen nonstop die Herr der Ringe Filme auf dem Fernseher. Am Ende der Woche war der Boden bedeckt mit Zeichnungen, der Küchentisch voll mit Unterlagen, die Flasche Whisky auf dem Wohnzimmertisch leer und das Gerüst des Buches fertig. Dann bin ich nach Hause gefahren und habe angefangen, alle berechneten Schnittmuster auszuprobieren.
Die Anlehnung an das ländliche englische Idyll des 19. Jahrhunderts ist eine interessante Wahl. Wie hast du recherchiert, um Authentizität und gleichzeitig einen fantastischen Charakter in deine Entwürfe zu bringen?
Carola: Ich habe mich zum einen ausgiebig über das viktorianische und edwardianische Zeitalter und die jeweilige Mode informiert, und mich zum anderen in der englischen und irischen Sagenwelt umgesehen. Viele Filme, Bücher und Gemälde greifen diese Themen auf und so gab es einen reichen Schatz, auf den ich zurückgreifen konnte.
Du beschreibst in deinem Buch eine Vielzahl von Kleidungsstücken, von Alltagsbekleidung bis hin zu eleganteren Stücken. Wie hast du entschieden, welche Kleidungsstücke es ins Buch schaffen?
Carola: Das war tatsächlich der schwierigste Teil der Arbeit. Ich hatte so viele Ideen, dass ich drei Bücher hätte schreiben können. Die Auswahlkriterien waren dann aber vor allem, dass die Schnittmuster auch für Laien im Erstellen von Schnittmustern händelbar sein sollten und dass die Gewandungsteile als ganzes eine komplette Garderobe ergeben sollten. Ein erlesenes Ensemble, dass jeder Halblinsgherr und jede Halblingsdame in ihrem Schrank haben sollte.
Welche Tipps hast du für absolute Neulinge, die mit diesem Projekt starten möchten?
Carola: Traut euch! Und benutzt am Anfang gebrauchte Stoffe z.B. Bettlaken oder Tischdecken. Wenn ihr erst einmal ein Schnittmuster habt, welches euch passt, könnt ihr dieses in alle möglichen Richtungen variieren und daraus eine große Anzahl von anderen Gewandungen herstellen. Im Gegensatz zu vielen anderen Materialien wie z.B. Metall oder Leder ist Stoff äußerst flexibel. Überflüssiger Stoff kann abgeschnitten werden und fehlender Stoff kann hinzugefügt oder ergänzt werden. Ganz wie es euch beliebt. Und letztendlich macht jede Art von selbstgemachter Gewandung Larps bunter.
Material- und Technikkunde sind essenzielle Aspekte im Buch. Kannst du ein Beispiel geben, wo die Wahl des richtigen Materials einen großen Unterschied im Endprodukt macht?
Carola: Die Wahl des richtigen Stoffes ist für alle Kleidungsstücke wichtig, speziell für das Aussehen und den Wohlfühlfaktor. Ein Unterkleid aus fester Wolle wäre steif und kratzig und eine Weste aus weicher Baumwolle wirkt billig und labberig. Auch die Dicke und die Dehnbarkeit des Stoffes hat erheblichen Einfluss auf den guten Sitz der Gewandung.
Das Buch zeichnet sich auch dadurch aus, dass es vollständig mit stimmungsvollen Zeichnungen zu jedem Hobbit-Gewand illustriert ist. Wie habt ihr an der Umsetzung gearbeitet, dass jedes Kleidungsstück eine authentische Hobbit-Illustration bekam?
Carola: Die Fotos, die als Vorlagen für die Zeichnungen in dem Buch dienten, haben wir mit Freunden in dem wunderschönen Außengelände eines Pferdemuseums gemacht. Während an diesem warmen Sommertag zwischen den alten Gebäuden die Hühner um uns herumliefen und die Mittagssonne uns träge machte, war es leicht, sich wie ein Hobbit zu fühlen. Kay Elzner hat mit seinen wunderschönen Zeichnungen diese Stimmung so toll umgesetzt, dass ein Teil dieser Atmosphäre in dem Buch deutlich spürbar ist. Und auch Heike Philips und Christian Schmal (Layout Zauberfeder) haben dafür gesorgt, dass das Buch etwas ganz besonderes ist. Ich hätte nie gedacht, dass aus einem langweiligen PDF und dem Wust an Dateien, die ich ihnen zugeschickt habe, mal so ein schönes Buch wird.
Jedes kreative Projekt ist ein Lernprozess. Gab es überraschende Erkenntnisse oder Aha-Erlebnisse für dich während der Arbeit an deinem Buch über Halblingskleidung?
Carola: Ich habe viel über das Entwerfen und Nähen von Kragen gelernt. Ursprünglich hatte ich davor ziemlichen Respekt, aber während das Buch entstanden ist, habe ich mich so intensiv damit beschäftigt, dass ich unterschiedliche Kragenformen inzwischen freihändig zuschneide.
Hast du ein Lieblingskleidungsstück aus deinem Buch? Wenn ja, könntest du etwas darüber erzählen und warum es dir besonders am Herzen liegt?
Carola: Ich mag den Morgenmantel von Seite 46 am liebsten. Er ist so weich und gemütlich und gleichzeitig so hübsch, dass man in ihm den ganzen Tag verbringen möchte.
Vielen Dank für das Interview, liebe Carola!
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberfeder